Rodungen im Weinheimer Fledermauswald vorerst verhindert

Mitte Dezember 2020 wurden Mitglieder des Vereins Gegenwind Weinheim e.V. auf  Hiebmarkierungen an einer Vielzahl von Bäumen im Weinheimer Stadtwald südlich des Goldkopf aufmerksam. Dabei handelt es sich vornehmlich um ältere Laubbäume. Nun sind solche Markierungen und der Holzeinschlag im Wald um Weinheim im Grunde nicht weiter verwunderlich und gängige Praxis, handelt es sich hierbei doch um Wirtschaftswald. Die Weinheimer Forstwirtschaft nimmt hierbei neben der Rohstofferzeugung von Holz auch weitere Aufgaben wie die Erhaltung der Wälder als Schutz- und Erholungsraum unter Abwägung von wirtschaftlichen und ökologischen Interessen stets zuverlässig wahr.

Umso überraschender und verwunderlicher ist es, dass die Hiebmarkierungen in einem Gebiet des Waldes zu finden sind, in dem seit Frühjahr 2019 nachgewiesen ist, dass es ein Rückzugsort und Lebensraum für eine Vielfalt an Fledermausarten ist. Der Verein Gegenwind Weinheim e.V. hatte im Jahr 2018 eine umfangreiche Fledermauserfassung im Bereich des Goldkopf durchführen lassen (https://gegenwind-weinheim.de/wordpress/endbericht_flederma%cc%88use_weinheim-25-01-2019/); Planungen der Stadtverwaltung Weinheim sahen diesen Bereich im Landschaftsschutzgebiet damals als Konzentrationszone zum Bau von Windindustrieanlagen zur Stromerzeugung vor. Zwischen dem 19.03.2018 und dem 02.12.2018 wurden mittels dreier autonom arbeitende Registrieranlagen für Fledermausrufe („Batcordern“) an 259 Nächten Fledermausaktivitäten im Bereich Goldkopf und ehemalige Koppeneiche erfasst und daraufhin von Biologe Dr. Andreas Arnold, einem anerkannten Experten für Fledermauserfassung, professionell ausgewertet. In der abschließenden Bewertung des Gutachtens heißt es:

Im Untersuchungsgebiet konnten mindestens 14 Fledermausarten bzw. Artengruppen nachgewiesen werden. Von diesen gelten in Baden-Württemberg drei Arten als „vom Aussterben bedroht“, fünf Arten als „stark gefährdet“ und vier Arten als „gefährdet“. Eine Art stellt eine extrem seltene Art mit geographischer Restriktion dar und zwei Arten sind gefährdete wandernde Tierarten. Sämtliche Fledermausarten sind gemäß nationalem Recht (Bundesnaturschutzrecht) besonders und streng geschützt. Auch europäisches Recht (Natura 2000-Richtlinie) schützt alle Fledermausarten inklusive ihrer Lebensstätten. Für vier der im Untersuchungsgebiet festgestellten Fledermausarten, welche in Anhang II der Natura 2000-Richtlinie gelistet sind, sind sogar besondere Schutzgebiete auszuweisen. […] Die Nachweise von zwei weiteren, sehr seltenen und hoch bedrohten Fledermausarten gibt dem Untersuchungsgebiet eine ganz besondere Wertigkeit. Es sind dies die Wimper- und die Mopsfledermaus. Die Wimperfledermaus ist eine Art, die zu den seltensten Fledermausarten Deutschlands zählt. Aufgrund ihres südwestlichen Verbreitungsgebiets in Deutschland trägt Baden-Württemberg für den Erhalt dieser Fledermausart bundesweit eine besondere Verantwortung. Auch die Mopsfledermaus ist nach einem starken Populationsrückgang in den 1950er und 1960er in Baden-Württemberg sehr selten (STECK & BRINKMANN 2015). […] Aus Gründen des Fledermaus- und des allgemeinen Artenschutzes wäre es […] sinnvoll, in den Wäldern des Goldkopfs und Geiersbergs die Maßnahmen des von der Landesforst- (FVA) und Naturschutzverwaltung (LUBW) im Jahr 2010 entwickelten und seitdem im Staatswald umgesetzten Alt- und Totholzkonzepts […] konsequent zur Anwendung zu bringen.“

Zu den nachgewiesenen Arten im regelrechten „Fledermauswald“ zählten auch die in Baden-Württemberg als „stark gefährdete“ Bechsteinfledermaus; diese hatte 2018 medienwirksam zu einem Rodungsstopp im Hambacher Forst geführt. Durch die öffentliche Präsentation des Fledermaus-Gutachtens am 29. April 2019 hätte die Bedeutung dieses Waldgebietes eigentlich bekannt sein sollen. Die den zuständigen Stellen vorliegenden Informationen konnten aber offensichtlich nicht durchgehend genutzt werden und in die Entscheidung zu den Verjüngungsmaßnahmen einfließen.

Ein avifaunistisches Gutachten, welches der Verein im Jahr 2020 durchführen ließ, ergab in einer ersten Durchsicht der Daten die Sichtung 67 heimischer Vogelarten, davon 17 auf der „Roten Liste“ Baden-Württemberg und 15 nach Bundesnaturschutzgesetz „streng geschützter“ Arten. Die finale Ausarbeitung wird zusammen mit dem Autor des Gutachtens im Rahmen eines Forums der Öffentlichkeit vorgestellt werden, sobald es die Corona-Situation wieder erlaubt.

Vertreter von Gegenwind Weinheim nahmen umgehend Kontakt mit Dr. Fetzner und Herrn Just von der Stadtverwaltung, Herrn Lambert vom Forstamt und Frau Böhmer und Frau Heideroth von der Unteren Naturschutzbehörde auf. Die vom Gemeinderat beschlossenen Rodungsmaßnahmen zur Waldverjüngung, die eigentlich am 1. Dezember hätten beginnen sollen, konnten „glücklicherweise“ aufgrund von Krankheitsfällen bis Mitte Dezember noch nicht ausgeführt werden. In offenen und konstruktiven Gesprächen konnten die Vertreter von Gegenwind Weinheim nun nochmals die außerordentliche Bedeutung des betroffenen Waldabschnitts in seiner ökologischen Gesamtheit für die dort lebenden Fledermäuse und Vogelarten anhand der Gutachten darstellen. Sollten die Fällarbeiten im Rahmen der Waldverjüngung wie geplant durchführt werden, würden höchstwahrscheinlich der Lebensraum und die Quartiere der Tiere in den Höhlen der alten Bäume des Fledermauswaldes zerstört und diese vertrieben! Neben dem unwiederbringlichen Verlust der streng geschützten Tierarten ist natürlich auch die rechtliche Tragweite zu sehen, die solch ein Verstoß gegen den Artenschutz bedeuten könnte.

Am 21. Dezember teilte Dr. Fetzner von der Stadtverwaltung dem Verein Gegenwind Weinheim dann mit, dass „als Sofortmaßnahme […] die Hiebsmaßnahmen in diesem Bereich ausgesetzt“ wurden. Nach Vorlage der Ergebnisse einer zusätzlichen Analyse des Fledermaushabitats wird die Forstbehörde entscheiden, „ob bzw. in welchem Umfang eine Hiebsmaßnahme in dem […] angesprochenen Bereich durchgeführt werden soll.“

Die Mitglieder von Gegenwind Weinheim sind erleichtert über den momentanen Stopp der Fällarbeiten und optimistisch, dass die Erkenntnisse des Fledermaus- und des avifaunistischen Gutachtens eine klare Sprache sprechen, den „Fledermauswald“ um den Goldkopf auch in Zukunft zu schützen. Kritisch hinterfragt der Verein jedoch, wieso die ökologische Wertigkeit des Waldes und die Erkenntnisse des Fledermausgutachtens trotz Pressemitteilung und öffentlicher Veranstaltung im Frühjahr 2019 nicht soweit bekannt waren, um dieses Gebiet von Verjüngungsmaßnahmen auszunehmen. Eine neue Gemeinderatszusammensetzung, ein neuer Leiter des Forstrevieres, sowie Wechsel in der Unteren Naturschutzbehörden mögen dazu beigetragen haben. Aus diesem Grund wird der Verein Gegenwind Weinheim die Gutachten an Gemeinderäte, Parteien, Stadtverwaltung und Forstbehörden verteilen und weiter intensiv daran arbeiten, dass sich diese Zusammenhänge klar im Bewusstsein der Verantwortlichen verankern.

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2 Antworten zu Rodungen im Weinheimer Fledermauswald vorerst verhindert

  1. Peter sagt:

    Windkraft nur in Gebieten erlauben, wo keine Natur zerstört wird!! Windräder können in Industriegebieten und an Autobahnen stehen, aber nicht in Wäldern oder Naturlandschaften!!

  2. Dr. Köhnlein sagt:

    WINDKRAFT GEFÄHRLICHER ALS ANGENOMMEN!

    „Nach einer fehlerhaften Berechnung des Schalldrucks von Windkraftanlagen durch das Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) warnen Mediziner vor höheren Gesundheitsgefahren. „Offenbar ist Windkraft schon bei niedrigeren Schalldrucken gefährlicher als bisher angenommen“, sagte Christian-Friedrich Vahl, langjähriger Direktor der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie an der Universität Mainz gegenüber der „Welt“.“

    „Das BGR hatte vergangene Woche eingeräumt, die Schallemissionen von Windrädern nach einer frühen Datenerhebung im Jahre 2004 zu hoch angegeben zu haben. Lobbyvertreter forderten als Konsequenz von der Bundesregierung, den Mindestabstand zwischen Windrädern und Wohnbebauung noch weiter zu verringern. Die frühere Grünen-Chefin und Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie, Simone Peter, sah darin einen angeblichen Beleg für die gesundheitliche Unbedenklichkeit von Windkraftanlagen, berichtet die „Welt“.“

    „Das Gegenteil sei jedoch der Fall, sagte Vahl, der als Leiter der „Arbeitsgruppe Infraschall“ der Universitätsmedizin Mainz seit Jahren die Wirkung von Infraschall auf Zellgewebe und Organe erforscht: „Nach der BGR-Korrektur werden die Beschwerden der Betroffenen nicht mehr im Bereich von größer 90 Dezibel geäußert, sondern bereits im Bereich zwischen 60 bis 70 Dezibel“, warnt der Experte.“
    https://www.n-tv.de/wirtschaft/Windkraft-gefaehrlicher-als-angenommen-article22528150.html

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