Wer die viel zitierte „Goldgräberstimmung“ im Windkraft-Energiemarkt verstehen will und die Vielzahl der aus dem Boden schießenden, den Charakter ganzer Landschaften verändernden Anlagen erklären möchte, der muss sich mit der Förderung von Windkraftanlagen (WKA) auseinander setzen.
In diesem Artikel sollen Begriffe wie der Referenzertrag einer WKA sowie die Fördersätze und -zeiträume des „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ (EEG) erläutert werden.
Dabei wird sich zeigen, dass schlechte Leistung von WKA belohnt wird, da diese Anlagen länger durch das ca. dreifache der Grundvergütung subventioniert werden! So ist die Förderung pro Kilowattstunde (kWh) für Anlagen mit weniger erbrachter Leistung höher als für solche mit mehr erbrachter Leistung.
Laut Windatlas – dessen Abschätzungen sich sowieso schon vielerorts durch Langzeitmessungen als deutlich überhöht herausgestellt haben – liegt im Weinheimer Freibereich 4 eine einzige der potentiell sieben WKA gerade noch im Bereich des so genannten „Referenzertrag 80%“. Dieser Wert gilt nach Meinung der Landesanstalt für Umwelt in Baden-Württemberg als „Mindestrichtwert zum Nachweis der Wirtschaftlichkeit eines Windenergieprojektes“. Alle anderen WKA im FB4 liegen danach teilweise deutlich darunter.
(In diesem Artikel werden neue Anlagen an Land mit einer Nennleistung über 50kW behandelt.)
Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz
Der Ursprung vieler Diskussionen, der steigenden Strompreise und auch der Aktivitäten unserer Bürgerinitiative liegt im EEG. Der Gesetzestext ist auf den Seiten des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) oder – etwas leichter für die online-Nutzung bei buzer.de – zu finden.
§1 Zweck des Gesetzes:
(1) Zweck dieses Gesetzes ist es, insbesondere im Interesse des Klima- und Umweltschutzes eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen, die volkswirtschaftlichen Kosten der Energieversorgung auch durch die Einbeziehung langfristiger externer Effekte zu verringern, fossile Energieressourcen zu schonen und die Weiterentwicklung von Technologien zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien zu fördern.
Letzteres wurde zweifelsohne bei der Windkraft erreicht; in Sachen Klima- und Umweltschutz sowie einer Verringerung der volkswirtschaftlichen Kosten muss der Nachweis erst noch erbracht werden…
Interessant für die Förderung von Windkraftanlagen ist §29:
§29 Windenergie:
(1) Für Strom aus Windenergieanlagen beträgt die Vergütung 4,87 Cent pro Kilowattstunde (Grundvergütung).
(2) Abweichend von Absatz 1 beträgt die Vergütung in den ersten fünf Jahren ab der Inbetriebnahme
der Anlage 8,93 Cent pro Kilowattstunde (Anfangsvergütung). Diese Frist verlängert sich um zwei Monate je 0,75 Prozent des Referenzertrags, um den der Ertrag der Anlage 150 Prozent des Referenzertrags unterschreitet. Referenzertrag ist der errechnete Ertrag der Referenzanlage nach Maßgabe der Anlage 3 zu diesem Gesetz. Die Anfangsvergütung erhöht sich für Strom aus Windenergieanlagen, die vor dem 1. Januar 2015 in Betrieb genommen worden sind, um 0,48 Cent pro Kilowattstunde (Systemdienstleistungs-Bonus), wenn sie ab dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme die Anforderungen nach § 6 Absatz 5 nachweislich erfüllen.
Nach dem Dokument „Vergütungssätze, Degression und Berechnungsbeispiele nach dem neuen Erneuerbaren-Energien-Gesetz(EEG) vom 04. August 2011“ werden diese Vergütungssätze für eine Dauer von 20 Jahren gewährt. In diesem Zusatz zum EEG ist auch eine Degression, also langsame Reduzierung, der Fördersätze über die Jahre festgelegt, abhängig vom Jahr der Inbetriebnahme. Für den Bereich Windenergie ergeben sich folgende Fördersätze:
Jahr der Inbetriebnahme |
Grundvergütung in Cent/kWh |
Anfangsvergütung in Cent/kW |
Systemdienstleistungsbonus |
2012 |
4,87 |
8,93 |
0,48 |
2013 |
4,80 |
8,80 |
0,47 |
2014 |
4,72 |
8,66 |
0,47 |
2015 |
4,65 |
8,53 |
0,46 |
2016 |
4,58 |
8,41 |
– |
2017 |
4,52 |
8,28 |
– |
2018 |
4,45 |
8,16 |
– |
2019 |
4,38 |
8,03 |
– |
2020 |
4,32 |
7,91 |
– |
2021 |
4,25 |
7,79 |
– |
Halten wir also folgende Punkte fest:
- Es gibt drei Arten der Vergütung.
- Die Anfangsvergütung ist deutlich höher ist als die anderen Vergütungen.
- Der Systemdienstleistungsbonus läuft für Anlagen nach 2015 aus, und macht bis dahin immerhin 3,3% des Gesamtfördersatzes aus.
- Ab dem Jahr der Inbetriebnahme werden die Anlagen über 20 Jahre mit exakt den Fördersätzen aus eben diesem Jahr gefördert (eine Anlage von 2013 also bis 2033 mit der Grundvergütung von 4,8ct/kWh).
Da die Anfangsvergütung den mit Abstand größten Fördersatz aufweist, betrachten wir diese etwas genauer. Um die etwas undurchsichtig daherkommende Textaufgabe aus §29 besser zu verstehen beleuchten wir dazu zuerst einmal den Begriff „Referenzertrag“ und dessen Bedeutung.
Referenzertrag
Wie im Artikel „Tatsächliche Leistung von Windkraftanlagen“ beschrieben ist die Nennleistung einer WKA die maximal mögliche Leistung einer WKA, die bei Volllast – der Nennwindgeschwindigkeit – erreicht wird. Da im Jahresmittel naturgemäß immer deutlich weniger Leistung erbracht wird als theoretisch möglich wäre, würde die tatsächlich erbrachte Leistung im Verhältnis zur Nennleistung als Maßzahl optisch nicht gut aussehen: Sie bewegt sich im Bereich von 10% bis 20%.
Damit die Zahlen besser aussehen wird für jeden Anlagentyp und Nabenhöhe ein Vergleichswert geschaffen, der Referenzwert. Dieser ist in Anlage 3 zum EEG definiert und beschreibt eine „bestimmte Strommenge, die“ ein Anlagentyp „bei Errichtung an dem Referenzstandort rechnerisch auf Basis einer vermessenen Leistungskennlinie in fünf Betriebsjahren erbringen würde.“ Der Referenzstandort ist ein fiktiver Standort, an dem ganz bestimmte Windverhältnisse angenommen werden, wie z.B. eine mittlere Jahreswindgeschwindigkeit von 5,5 m/s in 30 m Höhe über Grund.
Der Referenzwert ist also ein theoretisch errechneter Vergleichswert. Er gibt für jeden Anlagentyp individuell an, wie viel Ertrag bei ganz bestimmten Windverhältnissen in 5 Jahren zu erwarten wäre. Im Vergleich zu diesem Referenzwert können die tatsächlichen Erträge höher oder niedriger sein. Bei der Fördergesellschaft Windenergie findet sich eine umfassende Liste von Referenzerträgen für alle gängigen WKA.
Anfangsvergütung nach EEG
Während die Grundvergütung über die Gesamtförderdauer von 20 Jahren gewährt wird, gilt die Anfangsförderung nur über eine begrenzte Zeit ab der Inbetriebnahme einer WKA. Wie dem Gesetzestext zu entnehmen ist gilt diese Anfangsförderung „in den ersten fünf Jahren ab der Inbetriebnahme“ und „verlängert sich um zwei Monate je 0,75 Prozent des Referenzertrags, um den der Ertrag der Anlage 150 Prozent des Referenzertrags unterschreitet.“ Hier zeigt sich schon: Anlagen mit schlechterer Leistung kommen länger in den Genuss der Anfangsvergütung.
Auf den Seiten von vernunftkraft wurde der Gesetzestext zur Anfangsvergütung in Formeln übersetzt:
(1) tA = 5a + 1/6a x ( 1,5 – EE/RE ) x 100/0,75
(2) SD = [(A+SDL) x tA + G x (20a – tA)] / 20a
mit
tA: Zeitraum, über den die Anfangsvergütung gewährt wird (Jahre),
a: Jahr,
EE: erwarteter Ertrag (kWh),
RE: Referenzertrag (kWh),
SD: durchschnittliche Subvention über 20 Jahre (Cent/kWh),
A: Anfangsvergütung (Cent/kWh),
SDL: Systemdienstleistungsbonus (Cent/kWh),
G: Grundvergütung (Cent/kWh).
Mit diesen Formeln lassen sich für einen zu erwartenden Ertrag einer WKA bezogen auf deren Referenzertrag die Dauer der Anfangsvergütung tA und die durchschnittliche Subvention SD über die Förderdauer bestimmen.
Erwarteter Ertrag bezogen auf Referenzertrag |
Zeitraum der Anfangsvergütung (Jahre) |
Durchschnittliche Vergütung (Cent/kWh) |
150% |
5,0 |
5,92 |
140% |
7,2 |
6,41 |
130% |
9,4 |
6,91 |
120% |
11,7 |
7,41 |
110% |
13,9 |
7,90 |
100% |
16,1 |
8,40 |
90% |
18,3 |
8,90 |
80% |
20,0 |
9,27 |
70% |
20,0 |
9,27 |
60% |
20,0 |
9,27 |
Anhand der Tabelle erkennt man leicht, dass WKA mit einer erwarteten Leistung von weniger als 80% des Referenzertrages die höchste durchschnittliche Vergütung über 20 Jahre erhalten! Die folgende Tabelle verdeutlicht diese Tatsache eindrucksvoll: je besser die Anlage arbeitet, desto weniger Förderung pro Kilowattstunde erhält sie…
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass es keinen Mindestertrag mehr als Voraussetzung für eine Förderung gibt: Mit der neuen Fassung des EEG zum 01.01.2012 wurde ein Passus in §29 gestrichen, nach dem Netzbetreiber nicht verpflichtet waren, Anlagen zu vergüten, die nicht nachweislich mindestens 60% des Referenzertrages erzielen konnten. Selbst völlig unwirtschaftliche Anlagen werden nun gefördert; das Risiko einer ungünstigen Standortwahl wird somit elegant entschärft.
Um die Gesamtsumme der Vergütung einer Anlage zu errechnen muss die durchschnittliche Subvention SD mit dem zu erwartenden Ertrag multipliziert werden. In der folgenden Tabelle wurden die Gesamtsummen der Vergütung abhängig vom erwarteten Ertrag für eine Enercon E82 WKA mit 2MW Nennleistung und einer Nabenhöhe von 138 m beispielhaft aufgeführt. Der Referenzertrag für diese Anlage beträgt 32.447.172 kWh (dieser Wert bezieht sich wohlgemerkt immer auf 5 Jahre. Für eine Berechnung von 20 Jahren muss dieser also mit 4 multipliziert werden).
Erwarteter Ertrag bezogen auf Referenzertrag |
Gesamte Vergütung nach 20 Jahren (EUR) |
bei gleicher Dauer der Anfangsvergütung (EUR) |
150% |
11.520.368 |
11.520.368 |
140% |
11.654.808 |
10.752.344 |
130% |
11.660.324 |
9.984.319 |
120% |
11.536.916 |
9.216.295 |
110% |
11.284.586 |
8.448.270 |
100% |
10.903.331 |
7.680.246 |
90% |
10.393.154 |
6.912.221 |
80% |
9.625.129 |
6.144.196 |
70% |
8.421.988 |
5.376.172 |
60% |
7.218.847 |
4.608.147 |
In der graphischen Darstellung dieses Zusammenhanges erkennt man deutlich, dass es bei Standorten, die mehr als 100% des Referenzertrages liefern könnten kaum nötig ist, den tatsächlich besten Standort zu ermitteln. Durch die verlängerte Anfangsförderung werden die Unterschiede im Ertrag praktisch aufgehoben. Erst bei Werten unter 100% des Referenzertrages ist mehr Aufwand bei der exakten Standortsuche sinnvoll.
Die gestrichelte Linie zeigt die Gesamtvergütung bei einer angenommenen gleichmäßigen Dauer der Anfangsförderung von 5 Jahren. Der Unterschied zur durchgezogenen Linie verdeutlicht, wie in windschwachen Gebieten die Windkraft zusätzlich finanziell attraktiv gemacht werden soll, obwohl die tatsächlichen Energieerträge hier viel geringer sind.
Ein leider immer wieder unterschätzter Zusammenhang gilt jedoch auch hier unumstößlich: die Windgeschwindigkeit geht mit der dritten Potenz in die Rechnung ein. Das heißt: 10% weniger Wind als angenommen ergibt fast 30% weniger (Energie-)Ertrag! Durch die längere Anfangsförderung windschwacher Anlagen fällt dies jedoch nicht mehr so stark ins Gewicht.
Situation in Weinheim
Die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) behandelt auf ihrer Internetseite das Thema Wirtschaftlichkeit von WKA. Dort kommt sie zu dem Schluss, dass für Investoren meist „die Ertragsschwelle von 80 % des EEG-Referenzertrags als Mindestrichtwert zum Nachweis der Wirtschaftlichkeit eines Windenergieprojektes“ gilt. „Dieser Mindestertrag wird in der Praxis – fast unabhängig von Anlagentyp und Nabenhöhe – erst an Standorten mit einer durchschnittlichen Jahreswindgeschwindigkeit von 5,8 m/s bis 6 m/s in 100 m über Grund erreicht.“
Im Windatlas der Landesanstalt kann neben den Windgeschwindigkeiten in verschiedenen Höhen auch der Referenzertrag für Baden-Württemberg angezeigt werden. Zum einen kann dort der Referenzertrag 80% (schraffiert) und der Referenzertrag 60% (gepunktet) angezeigt werden. Man findet im Bereich um Weinheim wenige, eng begrenzte Stellen mit Referenzertrag 80%, etwas größere Gebiete mit Referenzertrag 60%.
Wenn man diese Daten mit der von der Stadt angedachten Konzentrationszone des Freibereichs 4 verschneidet, zeigt sich, dass maximal eine einzige WKA im Bereich des Referenzertrages 80%, also an der Ertragsschwelle, platziert werden könnte. Vier weitere müssten im Bereich des Referenzertrages 60% platziert werden (was laut LUBW unterhalb der Ertragsschwelle liegt); zwei WKA fänden nur in dem völlig unwirtschaftlichen Gebiet von weniger als 60% des Referenzertrages Platz.
Weiterhin muss angemerkt werden, dass die Daten des Windatlas mit großer Vorsicht zu genießen sind. Die Abschätzungen beruhen auf Modellrechnungen und ersetzen in keinem Fall Langzeitmessungen vor Ort. Messungen haben in der Realität an mehreren diskutierten Standorten diese deutlichen Unsicherheiten des Windatlas belegt und zu einer Einstellung der Windkraftprojekte geführt(siehe Meßkirch oder Birkenau).
Ob es sich lohnt, für prognostiziert geringe energetische und finanzielle Erträge in einem Naturpark großflächig Waldflächen zu roden, Bergkuppen und Zuwegungen zu planieren, das Landschaftsbild mit mehreren über 200 m hohen Türmen zu zerstören und Mensch und Tier ihrer Rückzugsgebiete zu berauben?
Hallo,
Respekt für eure kompetenten Seiten, großartig! Ich werde mir das alles noch genauestens anschauen.
Ich bin selber sehr besorgt, dass unsere wundervolle Bergstraße diesem Windmühlen-Wahnsinn zum Opfer fallen könnte.
Macht weiter, es lohnt sich!!
Halli-Hallo
ich habe kein Problem damit, gegen Windräder zu sein, weil diese kein schöner Anblick in der Landschaft sind, das ist völlig OK. Aber sich darüber aufzuregen, das Windräder bei 60% des Referenzertrags 20 Jahre lang mit 9,27 Cent/kWH gefördert werden, ist einfach nur lächerlich. Biogasanlagen wurden 20 Jahre lang mit bis zu 25 Cent/kWH gefördert, Solaranlagen auf dem Dach noch vor wenigen Jahren mit über 40 Cent/kWH über 20 Jahre!
Na, dann steht es Ihnen ja frei, sich darüber auch „aufzuregen“ 😉
Was mit dem Artikel hauptsächlich herausgearbeitet werden sollte war primär die Tatsache, dass schlechtere Leistung verstärkt gefördert wird und damit eigentlich unrentablere Standorte, mitten im Wald, in Schwachwindgebieten dem Windwahn zum Opfer fallen.